Ich bin wieder zuhause und zurück nach zwei Monaten Wanderung – und dabei mich einzugewöhnen. Fällt mir gar nicht so schwer bei der Versorgung hier. Strom, WLAN im Überfluss – dazu frische Erdbeeren, selbstgemachtes Eis und Nudeln mit Gemüse und Kapern. Ich konnte nur meine 2 Flaschen Champagner beisteuern – aus Crouttes sur Marne. Wer meinen Blog von Anfang an lesen will, startet am besten hier oder nutzt den Kalender zur Navigation.
Wesentlicher Programmpunkt heute war die längst fällige Rasur. Nachdem das sonst niemand übernehmen wollte, habe ich es letztlich selbst gemacht und es ging besser als gedacht.
Zum Glück ist die Haut unter dem Bart nicht so weiß geblieben wie erwartet. Und ich seh nicht mehr so aus wie der Zauberer vom Weißen Rat.
Ich schleiche mich heute morgen ohne Frühstück aus der Wohnung. Meine Gastgeberin schläft noch, es ist schließlich Wochenende.
Auch auf der Straße ist nichts los und ich habe reichlich Zeit für meinen Spaziergang zum Bahnhof in Meaux und einen Umweg durch die Markthallen.
In knapp 40 Minuten bin ich schon am Gare de l’Est. Ich lasse mich gleich von zwei Leuten vor dem Bahnhof fotografieren, weil ich mit den ersten Fotos noch nicht zufrieden bin.
Ich frage im Laufe des Tages insgesamt noch sechs andere Leute wegen Fotos von mir. Ich bin tatsächlich sehr euphorisch und gehe staunend durch Paris. Ich kenne das ja alles schon von meinem letzten Parisbesuch, aber diesmal ist es anders.
Ich muss ja jetzt nicht alle Sehenswürdigkeiten aufzählen, die ich auf meinem Weg zum Eiffelturm mitgenommen habe. Richtig interessant war ja für mich letzterer.
Meine Ausrüstung ist noch ziemlich vollständig, nur ein Paar Schuhe musste dran glauben. Und meine schwarzen Sachen sind erstaunlich ausgebleicht, der Rucksack hat Macken, mein Waschbeutel lässt sich nicht mehr schließen, nix mehr wie neu.
Paris ist voll mit Touristen und überall sind lange Schlangen von mehreren hundert Leuten: Notre Dame, Louvre, Centre Pompidou. Es gibt eine Rodin-Ausstellung, die ich mir angesehen hätte, wenn ich Zeit hätte.
Und dann der Eiffelturm. Hier mussten auch zwei Leute dran glauben, bis ich mit den Fotos zufrieden war. Dafür bin ich ja schließlich gelaufen – oder nicht?
Eigentlich wollte ich mich noch rasieren lassen, aber erst habe ich keinen Friseur auf meinem Weg gefunden. Und der, den ich dann gefragt habe, war den ganzen Tag ausgebucht.
In Cafés habe ich natürlich auch noch viel gesessen, mein Frühstück heute morgen ist ja ausgefallen – und mittags hatte ich dann eine Crêpe mit Eis, Marmelade und gehackten Pistazien, dazu trockenen Cidre. Sehr lecker.
Nachmittags fiel dann schließlich der angekündigte Regen, zum Glück nach meiner Sightseeingtour. Die meisten Leute haben darauf ganz ausgelassen reagiert, wie bei uns, wenn es in der Stadt schneit. Fast keineR hat einen Regenschirm, manche sind deformiert und kaputt. Und die asiatischen Touristen haben lustige Schirme.
Ich krieg hier richtig was geboten. Es gibt noch ein unexpected Festival mit guter Musik und weil ich da noch eine halbe Stunde zuhöre, wird es etwas eng mit meiner Zeitplanung. Ich habe dann auch noch ein kleines Problem bei der Personenkontrolle. Es gibt überall eine höhere Präsenz von Sicherheitskräften – und mein Rucksack stellt da ein größeres Problem dar. Aber nach Gesichtskontrolle werde ich durchgewunken.
Heute morgen 3 km und 17 km in Paris, das war ja noch ein richtiger Wandertag. Ich bin damit insgesamt 1.550 km gelaufen.
Die ruhigen Zeiten sind vorbei. Gleich heute morgen musste ich mich beeilen, weil meine Gastgeber auf die Arbeit mussten, spätestens um 8:15 Uhr. Ich musste also schnell machen mit meinem Frühstück. Freundlich aber bestimmt wurde ich vor die Tür gesetzt.
Diese Hektik hat mich den ganzen Tag begleitet.
Hier ist der Verkehr dichter, schneller, lauter – und die Wanderwege gibt es nicht mehr, oder sie zwingen mich zu weiten Umwegen. Dazu ist mein linker Fuß jetzt auch noch leicht geschwollen und ich muss mit Schmerztabletten dagegen arbeiten. Derselbe Fuß, der schon im Thüringer Wald entzündet war.
Nach den ersten zwei Orten, die ich glücklich umgangen habe, und den Straßen, die ich glücklich überlebt habe, stehe ich mittags wieder vor dem Problem: Straße oder Umweg. Da entscheide ich mich für den Bus (!) und bin in einer halben Stunde am Ziel in Meaux. Hier kann ich was trinken und die Füße in der Marne kühlen. Das hilft auch so weit, dass ich danach noch die Stadt erkunden kann.
Aber sobald ich irgendwo sitze, falle ich in Sekundenschlaf. Ich bin wohl etwas erschöpft und habe gestern zu wenig Schlaf bekommen.
Und ich sitze oft, denn ich habe durch die Busfahrt Zeit gewonnen, und jetzt muss ich den Tag morgen in Paris planen. Ich will von hier zum Gare de l’Est und mir mit dem Zug die 45 km durch die Banlieus ersparen. Ich bin jetzt auf Abschluss gepolt. Sonst müsste ich ja erst einmal meinen Fuß schonen.
Heute bin ich dann insgesamt auch nur 14 km gelaufen und wohne heute Abend in der Vorstadt.
Die Wohnung ist winzig und ich schlafe im Wohnzimmer/Esszimmer/Küche. Das wird bestimmt schwierig, denn Leïla hat schon gesagt, sie ist nicht vor Mitternacht im Bett und schläft morgen aus.
Ich wollte mir morgens noch das Magazin ansehen, das meine Gastgeberin herausgibt, ein Magazin für Frauenmode. Erst war sie irritiert – dann ich, weil sie sagte, das ginge nicht, das wäre doch in Reims. Dann ist bei mir der Groschen gefallen: Magasin = Laden in Reims. Magazine = Magazin.
Mir ist jetzt auch klar geworden, warum ich den Hof gestern nicht gefunden habe.
Über den sieben Bergen bei den sieben Zwergen – und von der Marneseite aus, aus der ich kam, überhaupt nicht zu sehen.
Und die Tiere sind alle glücklich dort, die Schafe und Ziegen grasten im Weizenfeld hinterm Haus. Ich hatte da Bedenken, aber die dürfen das, sagt Adeline.
Da ich ja jetzt schon mal in den Bergen war, habe ich meinen Weg dort fortgesetzt. Und bin alle 500 m an kleinen Steinkuppeln vorbeigekommen.
Es sind die oberirdischen Teile einer großen Wasserleitung (Aquädukt) und dadurch habe ich auch verstanden, was es mit den seltsamen Brücken auf sich hat, die Flüsse überqueren, über die man aber nicht gehen kann, weil oben eines dieser Häuschen sitzt.
Ich bin letztlich wieder an die Marne zurückgekehrt. Mein linker Fuß fängt wieder an zu schmerzen, unter dem rechten haben sich dicke Schwielen gebildet, so dass ich jetzt eigentlich eine Schuhgröße mehr bräuchte. Da sind die Bergtouren ziemlich unangenehm.
Die Dörfer sind jetzt etwas belebter, ich finde eine Post, es gibt Schülerlotsenunterricht für Grundschüler, es gibt eine Kneipe an der Marnebrücke und überall Bahnhöfe mit direkter Verbindung nach Paris.
Ich habe heute die 1.500 km voll gemacht mit den 33 km, die ich gelaufen bin. Und meine Füße signalisieren, dass es reicht. Sie nehmen jeden unnötigen Umweg übel. Bei den Schuhen lösen sich auch schon Teile der Sohle. Immerhin erstaunlich, dass sie so lange durchgehalten haben.
Mein Ziel heute war La-Ferte-sous-Jouarre; nicht besonders groß, aber ziemlich hektisch. Diesen Lärm und Verkehr bin ich überhaupt nicht mehr gewohnt, und das Wandern auf Landstraßen ist inzwischen so gefährlich, dass ich teilweise weite Umwege machen muss.
Mein Ziel heute ist wieder eine Airbnb-Unterkunft mit zwei sehr gebildeten und ökologisch bewussten Menschen – und ich komme in den Genuss einer Kompost-Toilette. Funktioniert so ähnlich wie ein Katzenklo.