26.04.

Abschied von Schmalkalden bei Morgensonne

Der Besitzer der Ferienwohnung der letzten Nacht ist Hausmann und Nebenerwerbslandwirt, der nach schwerem Unfall aus dem Beruf ausgestiegen ist, um so viel Selbstversorgung wie möglich auszuprobieren. Da hab ich mir dann die Schweine, Kälbchen, Hühner und Hasen angesehen und eine Einführung in die Lagerung und Konservierung von Lebensmitteln bekommen. Schönes Projekt, aber zu viel Info am frühen Morgen. Die Sonne schien und ich wollte los.

Endlich wieder Frühling

Der Raps hat erste Blüten, Obstbäume blühen und ich hatte Ginster auf dem Weg! Ich war völlig begeistert und in richtiger Hochstimmung, den Winter hinter mir zu lassen.

Die Werra bei Wernshausen

Mein Weg (manchmal Lutherweg, manchmal Jakobsweg) kreuzte dann die Werra und ging dann lange ganz unspektakulär einen Zufluss der Werra hoch. Es sind jetzt gemäßigte Höhen, weite Blicke, ich bin in der Rhön!

Es gibt auch hier noch nette Objekte als Altersruhesitz – wenn man die Millionen für die Sanierung hat.
Mein Ziel für heute, Bernshausen

Mein Ziel heute, Bernshausen, hab ich nach 28 km erreicht. Eigentlich wollte ich in einer Blockhütte auf dem Campingplatz am Schönsee übernachten und hab nach langen Telefonaten mit 4 Leuten auf dem Amt erfahren müssen, dass die Vermietung der Hütten noch nicht ausgeschrieben ist.

Leider nicht der Schönsee, nur die Bernshäuser Kutte

Etwas enttäuscht schlafe ich wieder mal im Gasthof – wieder mal ohne vernünftiges WLAN.

25.04.

Draußen Schneeschauer, drinnen trocken aber kalt.

Meine Trauer über den Abschied vom Rennsteig hält sich in Grenzen, ich will jetzt an die hessische Adria!

Aber mit seinen Sportanlagen hat Oberhof wirklich was zu bieten, mit Riesenparkplätzen, Schneehütten, Trainingsstrecken für Sommerlanglauf, Sprungschanze …

Der Parkplatz beim Skizirkus
Und erst die SportlerInnen, die mir begegnet sind – diese Waden! Die sahen schon schwer nach Olympiateam aus. Ich hab aber keine bekannten Gesichter gesehen.

Der Abstieg vom Kamm des Thüringer Waldes war ein echter Kampf. Meine App hatte einen Weg ausgesucht, der manchmal kaum zu erkennen war, der steil bergab ging, teilweise durchs Unterholz, markiert war er sowieso nicht – aber er hatte einen Namen: Franz Zuber Weg.

Hier geht’s runter.
Wo weiter? Rechts, links – natürlich geradeaus!
Abstieg von 600 auf 400 m Höhe

Ich habe mich gefragt, was das für ein Typ gewesen sein muss. Unten im Finstertal hat mich nämlich der Senior der Drechslerei Zimmer abgefangen mit den Worten „Wie sind se denn da runtergekommen“. Und der kannte den Franz Zuber tatsächlich noch, wie er jedes Wochenende diesen Weg gelaufen ist – im Winter mit Schneeschuhen. Und ich hab erfahren, dass es die Drechslerei schon seit 170 Jahren gibt und dass jetzt die Tochter den Betrieb führt. Und 1947 das 100-jährige mit Bratkartoffeln und Würstchen, und die Oma vom Senior hatte 7 Kinder …

Die Drechslerei Zimmer stellt heute vor allem Griffe für Schraubendreher her.

Ich laufe von Prag nach Paris und da muss ich natürlich durch den Franz Zuber Weg! Fand der Senior lustig.

Nach 29 km hatte ich es dann auch endlich bis zu einer Unterkunft in Schmalkalden geschafft. Ich hatte von unterwegs eine gebucht, aber die war dann schon doppelt belegt. Letztlich hat mir die Touri-Info weitergeholfen.

Schloss Wilhelmsburg

Und weil mein Zimmer noch hergerichtet werden musste, hatte ich 2 Stunden Zeit um mir den Ort anzusehen.

Viel schönes altes Fachwerk und …
… ein herrlicher Blick über die Altstadt vom Schloss aus

24.04.

Sonne, Sonne, Sonne – und die Stimmung steigt.

Es ist immer noch frostig, aber so lässt sich das Wandern wieder genießen. Der Rennsteig führt oft über Wald- oder Wirtschaftswege abseits der Straßen, aber immer wieder verläuft eine Straße parallel oder wird gekreuzt, so dass der Verkehr oft die Ruhe stört.

Tolle Weitblicke

Erst heute ist mir aufgefallen, dass der Rennsteig und der Europäische Fernwanderweg E3 hier schon parallel verlaufen. Letzterer soll mich noch quer durch Deutschland führen.

Ein blaues X auf weißem Grund markiert den E3.

Ich bleibe auf 800/900 m Höhe und mache Pause im Bahnhof Rennsteig, in dem es tatsächlich wieder planmäßigen Verkehr gibt.  Aber ich bin wegen Tee und Kuchen dort.

Bahnhof Rennsteig, einer der höchsten Bahnhöfe in Thüringen.
Der Bahnhof wird auch als Museum genutzt.

Wir waren ja vor ca. 15 Jahren schon mal zum Winterurlaub hier, und das Gasthaus Schmücke ist tatsächlich der einzige Ort, den ich wiedererkannt habe.

Gelaufen bin ich heute 28 km von Neuhaus bis Oberhof und habe mir hier neue leichtere Schuhe gekauft. Meine hohen Wanderschuhe muss ich heimschicken – da lösen sich die Sohlen.

23.04.

Blick von Neustadt aus

Wettermäßig hab ich heute nicht viel verpasst. Es blieb weitgehend trocken, und ich hoffe, die Wege sind bis morgen etwas abgetrocknet.

Ich hab an meinem Ruhetag die Füße nicht ganz still halten können und einen kleinen Spaziergang durch den Ort gemacht. Beim Kaffee hab ich mir dann am Nebentisch das große Ostalgie-Lamento anhören können: die Wessis haben alles aufgekauft, von den ganzen Subventionen ist bei uns nichts angekommen, über die AfD werden nur Lügen geschrieben, die Russen haben alles runter gewirtschaftet und der Westen ist noch schlimmer und und und

Michaeliskirche im neugotischen Stil
Einige schöne Häuser verfallen hier, weil es kaum noch Gewerbe gibt und wenig Tourismus.

Ein größeres Hotel im Ort hat eine Dampfsauna und ein kleines Schwimmbecken. Und da hab ich es mir gutgehen lassen. Die Wettervorhersage verspricht mir morgen Sonne und dann zumindest wärmeres Wetter.

22.4.

Morgens war ich entschlossen, mir den 3-Wochen-Bart heute abnehmen zu lassen, aber der Friseur vor Ort musste passen: Das machen sie nicht. Bleibt der Bart dran!

Mehr hat der Rennsteig heute nicht zu bieten.

Typisch für den Thüringer Wald sind vor allem Tannen und Fichten, und die Höhen hier sind dicht bewaldet, daher ist das Wandern nicht sehr abwechslungsreich – vor allem Fernsichten sind selten. Und dann noch dieses Wetter! Fast den ganzen Vormittag hat es geregnet. Und wer bisher neidisch auf meine Schneewanderung war, soll froh sein im warmen Büro oder trocken zuhause zu sitzen. Das war kein großes Vergnügen!
Als Anschauung einige Bilder von meinem heutigen Weg.

Bei jedem Schritt muss man aufpassen wohin man tritt.
Wandern im Flussbett

Zwischendurch hatte ich die Faxen dicke und hätte gern in Wellness-Atmosphäre den heutigen Tag beendet. Und da gab es auch noch einen großartigen Hinweis auf eine Wellness-Oase in 700 m Entfernung.

Vorsichtshalber, weil hier ja immer alles geschlossen hat, hab ich vorher dort angerufen. Allerdings saß die freundliche Dame in der Zentrale gerade an der sonnigen Ostsee und konnte mir so gar nicht weiterhelfen. Eine Durchwahl wollte ich dann auch nicht, weil ich die Oase ja schon in Sichtweite hatte.

Leider war die Reception dort nach 11 Uhr nicht mehr besetzt (haha) und in der Zentrale alle Zimmer abgeschlossen. Mir war mittlerweile aber klar, es war ein Mutter-Kind-Heim der AWO und für Uropas nicht das Richtige. Lauter Mamis, die mich Fremdling neugierig gemustert haben.

Irgendwann kam dann doch noch kurz die Sonne raus und es gab Landschaft zu sehen.

Bei all dem Regen ist klar, dass hier das Quellgebiet für drei große deutsche Flüsse ist. Von hier aus fließen tatsächlich in alle Richtungen die Zuflüsse zu Rhein, Wesel und Elbe. Eine Wasserscheide in drei Richtungen.

Der Dreistromstein

Ich halte durch und nach 30 km ist dann schließlich in Neustadt am Rennsteig Schluss für heute. Und morgen werde ich einen Tag Pause machen.

Neustadt mit meiner Pension „Zur schönen Aussicht“

21.4.

Bei sonnigem Wetter endlich auch mal Fernblick

Die Temperaturen gehen leicht in die Höhe, die Sonne kommt raus, und die Wege werden völlig unberechenbar. Statt einer festen Schneedecke jetzt Rutschpartien, Wasserpfützen, Schlammlöcher oder kleine Bäche, durch die ich durch muss.

Aber jetzt bin ich nicht mehr allein mit den Überraschungen der Natur. Inzwischen sind mehr Wanderer und Wanderinnen unterwegs, denen es geht wie mir. Und hier am Rennsteig grüßt man sich mit „Gudrun“.

Hsb ich zumindest gedacht, bis ich mal nachgefragt habe. Richtig heißt es „Gut Runst“. Runst von rennen, wie Kunst von kennen.

Anstieg bis 820 m Höhe

Ich bin heute 24 km weit von Steinbach bis Neuhaus am Rennsteig gekommen, trotz weiterhin schmerzendem Schienbein.

Die Buchstaben markieren in der Regel Pausenpunkte.

20.4.

Jetzt geht’s auf den Rennsteig und durch Thüringen. Allerdings die ersten 6 km nur bergauf und etwas enttäuschend fast immer an der Straße entlang. Aber danach wurde die Wegführung besser und ging nur noch durch Wald.

Für mich ist der Winter zurück.

Die Ausschilderung ist bestens, da muss ich heute überhaupt nicht mein Navi bemühen.

Allerdings manchmal übertreiben sie auch. Wo geht’s hier bitte zum Rennsteig?

Der Tag fängt frostig an und bleibt auch so, und bei 700 m liegen auch noch bis zu 10 cm Schnee. Wenn dann die Sonne rauskommt, stellt sich gleich so ein Gefühl von Skiurlaub ein. Vor allem weil der Rhythmus mit den Stöcken der gleiche ist wie beim Langlauf.

Könnt ihr diese Stille hören?

Nach der halben Strecke schickt auch mein linkes Schienbein nicht mehr bei jedem Schritt ein Schmerzsignal ans Hirn (immer noch Spätfolge meines Marathons vorgestern) – vermutlich hat es aufgegeben, es hört ja doch keiner.

Und auch hier wieder nirgendwo ein Gasthof, der offen hätte. Da mache ich mir dann Hoffnung auf das lange angekündigte Rennsteighaus.

Das Rennsteighaus!

Toll, es hat geöffnet, da gibt es Toiletten, man kann nach Bestellung übernachten – und sogar frei zugängliche Duschen. Nur der separate Aufenthaltsraum ist geschlossen und niemand im Haus. Was Warmes zu Trinken – Fehlanzeige! Immerhin gibt es eine Steckdose fürs Handy.

Alle Häuser sind hier mit Schiefer verkleidet, es erinnert mich schwer ans Sauerland. Aber da gäbe es mindestens eine Kneipe im Dorf.

Blankenstein bis Steinbach am Walde

Nach 29 km bin ich am Ziel in Steinbach am Wald – in Franken. Hier wird Fränkisch und Bayerisch gesprochen. Und hier erwartet mich ein Zimmer mit Badewanne – welch seltener Luxus. Also hoffe ich, dass morgen die Schienbeine wieder mitmachen.

19.04.

Es bleibt kalt – der und die Anstrengung von gestern steckt mir noch in den Knochen, vor allen in Waden und Schienbein. Daher ist mir heute alles etwas schwerer gefallen.

Hirschberg an der Saale – nicht gerade ein Highlight, aber immerhin mit Übernachtung für mich.
Diese nationalsozialistischen Helden der Arbeit haben mehrere Zeitenwenden überstanden.

Hier bin ich gestartet und niemand im Ort kannte die Seilbrücke. Ein Sprachproblem meinerseits; ich habe dann auch die gemeinte Saalebrücke gefunden. Aber ich gewöhne mich ans Sächsische.

Mal unten, mal oben. Aber immer an der Saale entlang.
Sparnberg an der Saale

Hier war die Saale die innerdeutsche Grenze, und die Grenzanlage unterschied sich von den bisherigen dadurch, dass hier eine Schmalspurbahn mit aufmontiertem Maschinengewehr hinter Grenzzaun und -mauer entlangfuhr.

Links Schmalspurbahn, Mitte Zaunreste, rechts die Saale.

Auch heute gab es in keinem der Orte eine geöffnete Gaststätte – eine echte Einöde. Und Schluss der heutigen Tour war deshalb schon nach 15 km in Blankenstein, dem Startpunkt des Rennsteig! Ich hätte noch ein bisschen laufen können, aber selbst in der Touri-Info (Wanderstützpunkt) haben sie keine Unterkunft in den nächsten zwei Orten finden können. Und zum Zelten ist es echt zu kalt.

Hirschberg bis Blankenstein

Auch für morgen hab ich schon 7 Quartiere und bisher erfolglos angerufen. Die beste Begründung war: „Meine Frau hat mir verboten Gäste aufzunehmen wenn sie nicht da ist.“

18.04.

Heute morgen, mein erster Blick aus dem Fenster!

Das war ein besonderer Tag heute, der schon mit 5 cm Neuschnee anfing. Aber was ein Glück, es hatte nachts geschneit und ich konnte trocken starten. Dafür musste ich 500 m an der Landstraße entlang laufen und da hat mich ein Reporter vom MDR abgepasst, mich beim Wandern im Schnee gefilmt und mich interviewt. Woher, wohin und warum – und was ich von Wetter halte. Der Beitrag ist dann aber wohl doch nicht gesendet worden. Schade.

Morgens war noch Frost und der Schnee knirschte bei jedem Schritt.
Hindernisse auf dem Weg
Auf 600 m Höhe und bei 3 Grad hielt sich der Schnee bis mittags.

Dann setzten Schneeregen und Graupelschauer ein, ich musste öfter mal Pausen in Hütten und Bushaltestellen einlegen, und ab Mittag war dann alles weggetaut.

Der Kammweg hat mich lange an der ehemaligen Grenze entlang geführt und ich war heute nacheinander in Sachsen, Franken und Thüringen (übrigens alles Freistaaten).

Die ehemaligen Wege der Grenzposten sind jetzt zu Wanderwegen umfunktioniert.
Teilweise sind noch komplette Grenzanlagen erhalten.
Wachturm der DDR

Als Grenzregion ist die Gegend hier völlig entsiedelt worden und bis heute noch nicht touristisch erschlossen. So bin ich dann Stunden um Stunden (9 1/2 Std. reine Laufzeit) gelaufen, ohne einen Gasthof zu finden, der offen hatte, geschweige denn eine Pension. Und die netten Menschen, die ich getroffen habe, haben mir zwar einen Kaffee angeboten, aber keinen Platz für die Nacht.

Würden Sie diesem Mann einen Kaffee anbieten?

Und so sind es dann 41 km bis zu meinem Zimmer in Hirschberg/Saale geworden. Ich bin entsprechend platt und hoffe auf weniger rekordverdächtige Anforderungen, wenn es denn morgen auf den Rennsteig geht. Das Wetter hingegen hat mir wenig ausgemacht, dafür bin ich offensichtlich gut gerüstet.

17.04.

Gefrühstückt hab ich heute im Hotel – in der Pension gab’s nichts. Das Frühstück war eine Wucht, aber es ist schon ein besonderes Vergnügen, mit quietschenden und schmutzigen Wanderschuhen durch das Spalier der Kurgäste zu müssen, die Highheels und Lackschuhe tragen – mindestens.

Ansonsten ist der Tag schnell beschrieben: 23 km Nieselschneeregen und Wald.

Da braucht man ein gutes Regencape und eine hohe Wettertoleranz. Ersteres hatte ich von Anfang an, letzteres hab ich mir unterwegs zugelegt.

Ich habe Deutschland an dieser Stelle komplett durchquert, war wieder auf dem Grenzweg, nur jetzt mit den tschechischen Grenzsteinen auf der linken Seite.

Mein Weg von Bad Brambach bis Bergen

Zwischenstopp war in Bad Elster an der Weißen Elster. Nach ihr wurde die Elster-Eiszeit benannt, etwa 400.000-320.000 Jahre vor heute. Wird Zeit, dass die mal aufhört!

Albert-Bad in Bad Elster
Das königliche Kurhaus von Bad Elster

Kurz vor meinem Ziel kam ich in Untergettengrün vorbei, das sicher so mancheR kennt – nur woher? Hier steht das Geburtshaus von Erich Ohser, besser bekannt als e.o.Plauen. Die wunderschönen Comics von Vater und Sohn sind von ihm.

Vater und Sohn von e.o.Plauen
Und noch eine wichtige Erkenntnis: die Weihnachtsbäume sind auch von hier.