31.05.

Die Zeichen stehen auf Abschied und ich plane die letzten Tage. Ich musste meine Route noch einmal ändern, denn sonst wäre ich direkt an Disneyland vorbeigelaufen. Der Vorteil, es gibt hier viele auch günstige Unterkünfte zur Auswahl. Aber viele Quartiere brauche ich nicht mehr, denn ich will Pfingsten zuhause sein. Da muss ich die letzten zwei Tage etwas schummeln und den Zug nehmen. So erspare ich mir die Banlieus und die langen Strecken durch die Stadt.

Heute hatte mir meine App auch viele Wege über Landstraßen vorgeschlagen, aber letztlich bin ich fast 6 Stunden nur an der Marne entlang gelaufen. Nicht sehr abwechslungsreich, aber gut für die Füße und gut gegen Sonnenbrand, weil ich viel Schatten hatte.

Es war heute auch nicht so extrem heiß, und dank meines Einkaufs heute morgen im Supermarche gab es mittags Erdbeeren und Rosinenschnecken – dazu Wasser.

Der Weg zog sich etwas und die Landschaft veränderte sich kaum. Später an der Schleuse hab ich dann sogar spontan etwas geschlafen. Ist vorher noch nie passiert.

Die Marne fließt ohne großes Gefälle durch ein flaches Tal mit Hügelketten auf beiden Seiten.

Nachmittags habe ich dann Chateau-Thierry erreicht. Ich hatte was ganz anderes erwartet, eher französische touristische Kleinstadt, aber das war dann schon der Großstadtschock!

Die Durchgangsstraße durch Chateau-Thierry

Ich hab mich nicht lange aufgehalten. Meine Programmpunkte waren: Orangina mit Eis im Café, erfolglose Suche nach einer Post wegen Briefmarken, Spaziergang durchs Zentrum, Einkauf fürs Abendessen, ein großes Häagen Dazs Eiscreme auf einer Bank mit Aussicht auf ein Kriegerdenkmal.

Das Rathaus

Dann kam der zweite Teil der Odyssee, die Suche nach dem Bauernhof, in dem ich ein Zimmer gebucht hatte. Es war schon ein schlechtes Zeichen, dass mir meine zwei GPS-Programme unterschiedliche Ziele anzeigten. Es ging hoch auf die Bergrücken, die gar nicht so hügelig waren – und dann bin ich noch fast zwei Stunden durch die Landschaft geirrt, hab mich im Wald verlaufen, hab drei Leute gefragt, die den Bauernhof alle nicht kannten, hab schließlich einen Typ im Auto gefunden, der sich an der Suche beteiligt und mich durch die Gegend gefahren hat. Ich hab dabei versucht, die Gastgeberin anzuschreiben, aber bei dem Fahrstil – unmöglich.

Wir haben aber schließlich doch noch unser Ziel erreicht, ein alter Hof am Ende der Welt, völlig isoliert oben auf dem Berg.

Außen sieht es nach ziemlich viel Arbeit aus, innen ist er tipptopp.

Dafür habe ich dann hier einen fantastischen Sonnenuntergang über der Marne erleben dürfen, und eine nette Gastgeberin mit 3 Monate alten Baby, die mich auch noch in der Wildnis abgeholt hätte, wenn es nötig gewesen wäre. Und zum Sonnenuntergang noch eigenen französischen Rotwein aus der Champagne, obwohl es da wohl Abgrenzungsprobleme gibt – weil hier wohl nicht mehr Champagne ist.

Und jetzt auch noch zwei Dosen Bier nach 38 km Weg, der Kühlschrank war vorsorglich schon angestellt. Heineken -falls es jemand interessiert. Geht zur Not auch noch nach Rotwein.

30.05.

Lässige 17 Grad, bedeckter Himmel, leichter Regen, der auf der Haut sofort wieder trocknet: ideales Wanderwetter. Aber mein Bad in der Marne muss ich wohl um einen Tag verschieben. Dafür ist es zu kühl.

Die Marne kurz vor dem Regen

Ich komme gut voran, meine erste Pause mache ich in Damery. Zum ersten Mal gibt es hier eine Snack Bar an der Marne – und sie ist geöffnet.

Die einzige Bar am Fluss, die ich seit 4 Tagen gesehen habe.

Allerdings in einer neuen Variante: alles ist offen, aber es ist niemand da. Erst nach einer halben Stunde taucht eine Bedienung auf, eine ältere Frau im Rollstuhl. Da staune ich nicht schlecht.

Ich trinke einen Kaffee mit viel Milch, dazu so etwas wie einen Windbeutel mit Creme und warte den nächsten großen Regenguss im Pavillon draußen ab. Es gibt Champagner – auch auf Klappstühlen auf der Terrasse. Und jedes Weingut hier hat offensichtlich Champagner. Wäre ja auch verrückt, wenn sie diese Marketing-Chance nicht nutzen würden.

Über diese Brücke muss zum Glück keiner mehr rüber.

Das Wetter bleibt bis nachmittags unbeständig, aber richtig nass werde ich nicht. Zwischendurch ist der Weg am Fluss gesperrt und es gibt keine Umleitung. Ich suche mir eine halbe Stunde lang Alternativen, teilweise auch auf der Landstraße. Aber dann laufe ich ein Stück weiter unten doch die gesperrte Strecke, sehr zur Belustigung der Fahrer der Baufahrzeuge. Aber lieber verboten als gefährlich auf der Landstraße.

Die Gerste sieht hier ganz anders aus als bei uns.

Nachmittags kommt dann wieder die Sonne raus, und die Landschaft sieht hier teilweise so aus wie an der Weinstraße.

Nur die Kirchen sind immer noch komplett anders.

Heute Abend habe ich eine Unterkunft über Airbnb bei einer Deutschen, die hier eingeheiratet hat, so dass ich mal wieder Deutsch reden konnte. Sie meinte, von hier geht auch ein Zug direkt zum Gare de l’Est in Paris. Heute waren es 32 km und morgen werden es ähnlich viele bis zu einem Bauernhof im Wald. Hoffentlich finde ich den.

29.05.

Ich hab meine Reiseplanung aktualisiert und festgestellt, das wird meine letzte Woche. Ich freue mich aufs Heimkommen.

Heute morgen gab es Fastfood-Frühstück mit einer Horde Holländer auf alten Vespas. Was ne Bande. Null Esskultur.

Das Hotel F1 liegt direkt an der Autobahn, die sie jetzt wohl wieder unsicher machen wollen. Nähmaschinen mit zwei Rädern.

Ich war früh auf den Beinen, weil ich eine lange Strecke vor mir habe, 10 Stunden Marsch, und das Tourismusbüro macht um 19 Uhr zu. Daher hab ich nicht auf den Intermarché gewartet, der erst um 9 Uhr aufmacht. Da wollte ich lieber wieder los.

Nur Allergiker werden gleich erkennen, was mich heute erwartete: Pollen in dicken Flocken in der Luft und auf dem Boden.

Aber meine Nase ist anscheinend durch die viele Natur gestählt, jedenfalls habe ich nicht auf den Reiz reagiert.

Ich bin heute schlecht vorbereitet und wollte eigentlich Karten, Kekse und Kroissants kaufen. Meine Landkarten sind hier zu Ende und ich muss jetzt nur noch mit den Karten der App klarkommen. Aber für den Weg am Kanal entlang brauche ich überhaupt keine Karte.

Zwischendurch hatte ich mal ideale Bedingungen, Bäume wie eine Allee, Schatten und keinen Asphalt.

Aber oft bin ich in der Sonne gelaufen und bin völlig ausgetrocknet. Das erste Dorf, die Bäckerei hat geschlossen. Das zweite Dorf, es gibt eine Bar oben am Platz – aber ich stelle fest: ebenfalls geschlossen. Das dritte Dorf, der nächste Umweg, aber hier gibt es eine Bar und viel Cola und Orangina mit Eis!

Das baut auf und ich laufe gestärkt weiter. Die nächste Pause mache ich am Kanal. Erst die Arme ins Wasser, dann den Kopf, dann die Füße – und zum Schluss noch das Shirt ins Wasser und nass angezogen. Und den toten Hasen weiter unten im Kanal hab ich zum Glück erst später gesehen.

Heute haben mich über Kilometer diese Margueriten begleitet, in rauhen Mengen. Und Schmetterlinge, die ich bin Deutschland gar nicht kenne, und Eidechsen und Libellen in Mengen. Und der Holunder blüht und erste gelbe Kirschen hängen an den Bäumen!

Ich bin ja in der Champagne, aber es dauert lange bis ich den ersten Weinberg sehe.

Später wurden es dann mehr und es sah aus wie in Rheinhessen.

Mich hätte ja heute ein Bad in der Marne gereizt, aber jetzt muss ich Zeit sparen und auf solche Extras verzichten. Der Weg zieht sich, und meine Füße melden sich schmerzhaft, die nächste Blase erwartet mich wohl heute Abend.

Es sind auch wieder lange 36 km bis ich Epernay bin. Die Stadt ist echt die Champagnerstadt, Sitz von Moët&Chandon und anderer Marken. Und in den Cafés auf der Straße wird echt Champagner getrunken. Aber sonst die Stadt laut und ziemlich verbaut. Großes Bahngelände in der Stadt, Unterführungen, Neubausünden und die Protzbauten der Champagnermarken, die wohl zum Weltkulturerbe gehören, wenn mein Französisch mich nicht täuscht.

Es gibt einige schöne Ausnahmen wie diese Jugendstilvilla.
Und diesen seltsamen Turm. Markenzeichen einer anderen Sektmarke.

Das Tourismusbüro hat mir auch weiterhelfen können und mir Airbnb für den Rest der Strecke empfohlen. Und da bin ich jetzt Mitglied und habe eine günstige Übernachtung für morgen gefunden. Ach – und große Wäsche musste ich machen; mein Zeug war echt durchgeschwitzt und dreckig.

Mein Weg von Chalons-en-Champagne nach Epernay – heute mal wieder vollständig und ohne Unterbrechungen.

28.05.

Ich starte in La Chaussée-sur-Marne wieder am Kanal entlang. Beide Füße machen wieder mit, und heute habe ich auch keinen Marathon vor. Die Szenerie am Kanal wechselt kaum, mal bin ich in der Sonne, mal im Schatten. Es geht gut voran.

Einmal ist die Marne so nah, dass ich ans Flussufer wechsle und meine Füße kühle. Zum Schwimmen ist es nicht tief genug. Aber Arme und Kopf tauche ich auch ins Wasser. Es ist extrem heiß heute, über 30 Grad.

Ich bitte jemanden, ein Foto von mir zu machen. Und es stellt sich heraus, dass er für nächstes Jahr plant, hier ein Gästehaus zu eröffnen. Ich sage ihm, dass ich das gut hätte gebrauchen können.
Hier haben sich alle Angler offensichtlich verabredet. Und was der Bus soll?

Außer den Anglern treffe ich jetzt immer mehr auf Leute, die ihr Fitnessprogramm durchziehen, Radler, Walker, Nordic Walker. Ich nähere mich der Stadt.

Wenn das die Pflanze ist, die die Verbrennungen auf der Haut verursacht – davon gibt es hier jede Menge.

In Chalons-en-Champagne wird gerade abgebaut, gestern war ein großer Tanzevent mit Schülergruppen. Den habe ich verpasst und auch das Lichterspektakel in der Woche vorher. Und das Straßentheaterfestival ist erst ab übernächste Woche. Aber auch so gibt es bei einer Tour durch die Stadt genug zu sehen.

Die Kathedrale Saint Etienne von Süden
Die Kathedrale von Norden
Die Kathedrale von innen
Eine besonders spektakuläre Innenansicht
Notre-Dame-en-Vaux mit Kloster

Ich war schon mittags in der Stadt, bin dann erst in mein Hotel an der Autobahn zum Einchecken. Ein Standard wie in der Jugendherberge. Duschen und Toiletten auf dem Flur. Für mich reicht es, aber eine Empfehlung ist das F1 auf jeden Fall nicht. Mein Mittagessen war entsprechend: Camembert und Baguette von vorgestern und Wasser aus der Leitung.

Dann hatte ich noch reichlich Zeit für einen Besuch im Tourismusbüro, die nächsten Stationen checken, und für eine Tour durch die Stadt.

Sogar einen Flohmarkt konnte ich mir noch ansehen. Da gibt es Sachen zu kaufen! Viel Jugendstil und alte Möbel. Aber ich kann ja nichts mitnehmen.

Zum Abendessen hatte ich dann Salat und einen Rosé von der Ardeche. Es ist schön, bequem auf einem Stuhl mit Rückenlehne zu sitzen und bei diesem Wetter guten Wein zu genießen.

23 km war die Etappe heute und das Quartier für morgen ist gebucht. Ich hab WLAN und Strom. Die Grundbedürfnisse sind also befriedigt.

27.05.

Es klappt immer besser mit der Übernachtung im Zelt, und das trockene Wetter sorgt dafür, dass ich heute morgen alles trocken einpacken konnte. Kein Frühstück, aber ich freue mich schon auf die 6 km nach Vitry-le-François, weil der Weg vom Campingplatz aus direkt an den Kanal geht, am Kanal entlang und von da über eine Brücke in die Stadt.

Direkt am Kanal, aber nicht klar, was das mal war.

Das Tourismusbüro macht erst um 10 Uhr auf, so dass noch Zeit für ein erstes Frühstück bleibt. Ich liebe diese Pain aux chocolate, und dazu schwarzen Tee!

Endlich die richtige Atmosphäre für einen Frankreich-Urlaub.

Auf einmal scheint alles ganz easy. Die Frau im Tourismusbüro ist sehr kompetent, versteht sofort meine Probleme mit der Quartiersuche: das verlängerte Wochenende, und gibt mir eine Liste mit möglichen Unterkünften. Es gibt auch jede Menge Cafés für meine Akku-Sorgen. Und bald bin ich mit neuer Energie geladen.

Das Quartier, das ich per Telefon finde, ist leider auch voll – aber immerhin gibt es  da Platz für mein Zelt, Dusche und Toilette. Ich sage zu und kann mir also ganz in Ruhe die Stadt ansehen.

Notre-Dam in Vitry-le-François
Ein Brunnen zur Abkühlung für müde Wanderer
Porte du Pont von 1748 zu Ehren des Sonnenkönigs Ludwig XIV.

Liegt alles auf dem Weg zum Intermarché, wo ich mich fürs zweite Frühstück eindecke. Jetzt passt wirklich nichts mehr in meinen Rucksack. Aber ich hab ja die Hoffnung, dass ich bald das Gewicht in meinen Magen umschichte.

Und es geht weiter am Kanal entlang. Es ist heiß, aber diesmal bin ich auf der Schattenseite, und die Nähe des Wassers macht die Hitze erträglich.

Mein zweites Frühstück. Das unappetitliche Teil links ist eine Croissant mit Schinken von der Bäckerei.

Es stellt sich auch heraus, dass die Transportverpackung für meine Stöcke sich ideal für Baguettes eignet. Und ich habe natürlich jede Menge Wasser dabei.

Diesmal der Marne-Rhein Kanal

Die Optik bleibt den ganzen Tag gleich, einmal ist der Kanal nah und sauber genug, um Arme und Kopf einzutauchen um das Heißlaufen zu verhindern. Meist ist die Oberfläche am Ufer aber mit Algen bedeckt. Ich sehe wieder viel Natur, Fische, Reiher und auch zweimal Biber.

Zwei, drei Boote und Yachten kommen mir entgegen, und das ist das einzige, das tatsächlich ein großes Teil transportiert.

Nach 25 km ist Schluss und mein linkes Fußgelenk fängt an wehzutun. Ich brauche eine Pause, es warten noch 10 km auf mich. Dank guter Vorbereitung durch das Tourismusbüro weiß ich, dass es im nächsten Ort am Kanal zwei Hotels gibt, also vermutlich auch eine Bar. Ich gehe verlassene heiß glühende Straßen entlang, ohne Erfolg, und kehre schon um zum Kanal. Dort treffe ich doch noch ein junges Pärchen, dem es sichtlich Spaß macht, mir zu helfen.

Es gibt eine Bar und für mich einen Liter Wasser und eine Cola. Es gibt auch Zimmer – und tatsächlich ist eines noch frei. Und kostet heute Abend Last Minute nur 40 statt 65 Euro. Da sage ich natürlich meiner anderen Unterkunft ab und schlage zu. Es gibt also heute Abend mal wieder ein kühles Bier. Zwei!

Außerdem ein leckeres improvisiertes Abendessen mit Huhn und Gemüse.

Und da ich in der Champagne bin, muss ich unbedingt noch einen leichten Weißwein probieren – dazu drei Sorten Käse. Leute, meine Kritik an Frankreich war völlig übertrieben. Ich sitze allein auf der Terrasse, es wird langsam erträglich kühl, ich habe Strom und WLAN, und ich liebe diesen Himmel.

26.05.

Schlafen ging ganz gut, trotz merkwürdiger und unbekannter Naturgeräusche und geheimnisvoller Schreie um mich herum. Aber ich bin zerstochen aufgewacht (hoffentlich keine Flöhe), und Schnecken innen im Zelt braucht auch kein Mensch. Ich hatte dann Mühe, meine Sachen wieder trocken zu kriegen, aber das ist jedesmal nach dem Zelten so.

Ich war dann früh auf dem Weg und habe den Wald, oder besser die Sümpfe von Maurupt durchquert.

Mein Weg durch die Sümpfe von Maurupt

Und dabei ich hatte jetzt einige Tage Sonne; bei Regen hätte ich gar nicht erst den Versuch unternommen, da durchzukommen. Dann habe ich endlich einen PKW vor mir auf dem Weg gesehen. Ich dachte noch, dass es jetzt wohl besser wird.

Aber der Wagen war verlassen und im Schlamm stecken geblieben.

Danach habe ich mich gegen den Wanderweg und die direkte Straße zu meinem Abendquartier entschieden. Ich wollte mich mal irgendwo bequem in ein Café setzen und was anderes als Käse und Brot essen. Aber nichts, nirgendwo ein Café, eine Bar, eine Boulangerie. Nur ein Tante-Emma-Laden auf vier Rädern, der zufällig vor mir hielt. Da hab ich mir wenigstens frisches Obst gegönnt.

Fachwerk in der Champagne

Aber dann doch noch ein Restaurant. Erst hat man mir nur zu trinken angeboten, dann gab es doch noch was zu essen. Ich hatte gedacht, wegen meines Äußeren wollte man mich schnell wieder los sein. Aber die Küche war eigentlich nicht geöffnet und mit Vorbereitungen für eine große Feier am nächsten Tag beschäftigt. Aber dann bot die Chefin mir doch noch was an: Fischpastete mit grünem Spargel – naja, wenn es sonst nichts gibt.

Pink als Farbe der Tischdecke macht den Eindruck etwas zunichte.

Das Restaurant liegt genau an der Route National, die hier vierspurig ist. Da musste ich rüber, und auf meiner Karte sah es nach Unterführung aus. War aber keine. Und so kam zu meiner heutigen Etappe noch ein riesiger Umweg zum nächsten Autobahnanschluss hinzu: macht 34 km. Es sieht vielleicht so aus, als würde ich auf Paris zu rasen, aber ich mache eben riesige Umwege.

Mein Weg von Cheminon nach Lexémont-et-Villotte

Das Schöne an diesem Umweg, ich bin noch mal viele Kilometer am Champagne-Bourgogne-Kanal entlang gelaufen. Leider auf der sonnigen Seite, die schattige Seite war wieder total zugewachsen.

Wenig los auf dem Kanal – aber schöne Hausboote

Und jetzt hab ich das Problem, Handy leer, Akku leer, und keine Steckdose in meiner Nähe, wo ich die Sachen beaufsichtigen könnte. Muss ich improvisieren und die Powerbank unbeaufsichtigt an der Steckdose lassen.

25.05.

Es ist oft schwierig abends den Blog zu schreiben, wenn die Handyleistung schon am Ende ist. Ich kann zwar immer mal wieder den Akku laden, aber heute hat er gereicht und er muss noch bis morgen reichen.

Aber von Anfang an: Heute der Start in Bar-le-Duc war sehr komfortabel in der Ferienwohnung. Ich hab mir mein Frühstück zwar selbst gemacht, aber die Wohnung war gut ausgestattet und die Bäckerei hatte offen – trotz Feiertag. Zwei Schokoladencroissants zum Frühstück, ein Schweinsohr für unterwegs, kann man nicht meckern.

Der Ort war am Feiertag morgens ziemlich ausgestorben.

Hinter dem Ort ging es noch einmal ordentlich in die Berge, aber das war’s dann wohl mit den Steigungen: zuerst Lothringen, heute noch die Ardennen und ab morgen dann wohl die Champagne. Zwei englische RadfahrerInnen, die ich auf dem Weg von London nach München gestern auf dem Campingplatz getroffen habe, waren ganz begeistert und meinten, ich müsste unbedingt Champagner trinken. Steht aber erst mal nicht auf meinem Speiseplan.

Au revoir Bar-le-Duc

Nach dem Anstieg sah das Land schon ziemlich flach und milde hügelig aus und blieb es auch. Und ich fand endlich den Wanderweg GR 14, der mich von jetzt bis Paris begleiten soll. Aber da hab ich mich zu früh gefreut – die Franzosen behandeln ihre Wanderwege noch liebloser als die Deutschen.

Das Zeichen hätte ich gern öfter gesehen.
Eine Idylle auf meinem Weg – bis sie im Sattel ihr Handy rausgeholt und gedaddelt hat.

Eine Station unterwegs war das Kloster Trois Fontaines l’Abbey. Aber trotz des schönen Namens (drei Quellen) gab es nirgendwo Wasser.

Die Klosteransicht von der Straße aus

Aber eine bemerkenswerte Ruine und einen riesigen öffentlichen Park gab es stattdessen.

Ich hab ja heute auf Risiko gespielt und erwartet, in Cheminon irgendwo eine Unterkunft zu finden. Aber obwohl ich 5 Leute auf der Straße gefragt habe – Wasser ja, aber kein Zimmer für mich. Die älteste der Leute hat bestimmt 3 mal gesagt: Sie sind sehr mutig (courageux). Und es hörte sich immer ein bisschen so an wie, Sie sind ganz schön frech.

Immobilien zu verkaufen. Bei Interesse sag ich euch den Ort. War aber auch kein Zimmer frei.

Schließlich bin ich mit meinem Zelt auf einer Wiese gelandet. Zum Glück ist mir der Sohn des Besitzers über die Füße gelaufen und ich konnte mir eine Erlaubnis einholen. Was gut war, denn später gab es kritische Blicke und Fragen – von einem Typen, dem ich auch nicht im Dunkeln begegnen möchte.

Heute waren es 33 km und ich gehe ohne Dusche ins Zelt. Und habe immerhin für morgen schon sicher den Campingplatz gebucht.

24.05.


Ich brauche mal wieder einen Tag Pause. Blase am Fuß, erschöpft und etwas frustriert wegen der fehlenden Übernachtungsplätze, lasse ich es mir gut gehen. Außerdem ist Bar-le-Duc wirklich einen Tag wert. Fast das gesamte Stadtbild ist original Renaissance.

Sogar die Gardinen müssen teilweise aus dem 16. Jahrhundert sein.

Das Tourismusbüro übertreibt dann auch etwas und behauptet, bei Ihnen hätte die Renaissance schon hundert Jahre früher angefangen. Der älteste Teil ist das Schloss in der Oberstadt, um das herum die Herzöge von Anjou ihre Günstlinge angesiedelt haben.

Die ganze Oberstadt steht unter Denkmalschutz.

Vom Schloss ließen sich oben keine guten Fotos machen, es wird teilweise renoviert.

Hier der Uhrenturm vom letzten Foto aus der Nähe
Die Kirche Saint-Étienne

Dadurch dass die Stadt vom ersten Weltkrieg verschont geblieben ist, trotz der Schlacht an der Marne ganz in der Nähe, ist hier vieles erhalten geblieben.

Die Kathedrale

Direkt am Campingplatz liegt das Château de Marbeaumont, das ich für Barock gehalten hätte. Aber es stammt aus der Belle Époque, von einem offensichtlich romantisch veranlagtem Banker. Jetzt ist darin eine Spielarchiv (!) untergebracht, und im Garten wurde Frisbee und Volleyball gespielt.

Château de Marbeaumont

Nach meiner touristischen Tour war ich dann einkaufen, denn ich bin heute vom Campingplatz in eine bequeme Ferienwohnung umgezogen – 100 m weiter. Ich kann mir also selbst etwas zu essen machen.

Und ich nutze die Vorteile der Wohnung aus: Haare waschen, Wäsche waschen, unbegrenzt Strom, wegen Übernachten herumtelefonieren, nachmittags zur Bäckerei, Beine hochlegen – der pure Luxus. Und draußen ist das schönste Wetter. Schon komisch, hier in der Bude zu hocken. Aber morgen geht es ja weiter und das schöne Wetter soll wohl bleiben.

„Mehr denken als sagen“ steht auf dem Tor. Komisch, hier in diesen Mauern haben die Jesuiten die Aufklärung bis aufs Messer bekämpft.

Wenn ich richtig rechne, sind es noch 10 Tage bis Paris. Und ab morgen vielleicht wieder auf einem richtigen Wanderweg, dem GR 14.

23.05.

Das Frühstück heute: eine Kanne Tee und ein halbes Baguette mit Butter. Aber ich sag ja nix. Eigentlich sollte die Hütte 75 Euro kosten, und dann hat Hélène mir ein anderes Zimmer angeboten für 40 Euro. Und heute hat sie dann nur 30 Euro kassiert, weil ich mein Bett auch noch selbst bezogen habe. Hatte sie vergessen.

Frühstück im Salon

Dann hat sie mich noch ein paar Kilometer mit dem Hund begleitet und ich habe die andere Hälfte ihrer Lebensgeschichte erfahren, während sie in höllischem Tempo meist vor mir lief. Viel Power, aber keine Ausdauer: Raucherin.

Leider konnte ich so nicht mehr zur Bäckerei – und das sollte sich rächen. Es gab auf der ganzen Strecke keine mehr. Mein Mittagessen war daher etwas mager: 1 Apfel, 1 Stück Camembert und 1 getrocknete Wurst (Merguez). Und das nach dem eh schon mageren Frühstück.

Wandern an der Meuse, entweder auf dem kleinen Damm oder im Schatten der Bäume

Das erste Stück Weg an der Meuse entlang war fantastisch, im Schatten der Bäume und immer mit leichtem Wind. Kleine Jachten und Hausboote unterwegs und jede Menge großer Reiher und Milane.

Der Fluss und ein Kanal liefen immer parallel.

Dann war an einer Schleuse allerdings Schluss mit den Wegen, und der Mann an der Schleuse bestätigte mir, dass der Weg völlig zugewachsen sei. Ich müsste auf die Straße ausweichen.

Ab hier ging es nicht mehr weiter am Fluss entlang.

Es gab da aber noch eine stillgelegte Bahnlinie, mit der ich die Straße und 2 km Umweg vermeiden konnte.

Die Bahnlinie sah am Anfang noch ganz gut begehbar aus.
Das änderte sich aber auf der Hälfte der Strecke. Könnt ihr die Schienen noch erkennen? Da hätte ich gut ein Buschmesser gebrauchen können.

Alles halb so schlimm. Das kenne ich ja schon. Im nächsten Ort war dann wieder alles geschlossen, weil ich dort exakt um 13 Uhr angekommen bin.

Immerhin hat die Ortsverwaltung um 13:30 geöffnet und ich habe die beiden Mitarbeiterinnen 1/2 Std. damit beschäftigt, eine Unterkunft für mich auf der Strecke zwischen Sampigny und Bar-le-Duc zu finden. Die restliche Strecke bis dahin war mir für den Rest des Tages zu viel. Aber es gab nur eine einzige Unterkunft unterwegs – für 75 Euro. Bei meinem Besuch im Rathaus konnte ich nebenbei die Wahlergebnisse einsehen: eine stabile Mehrheit für Marie LePen. Wo bin ich da hingeraten?

Ich bin dann nur noch Straße gelaufen, was nicht wirklich Spaß macht.
Aber es gab auch schöne Plätze unterwegs, wie diesen Waschplatz.

Ich hatte gehofft unterwegs ein Zimmer zu finden, das nicht übers Internet beworben war. Aber dem war nicht so, alles winzige Dörfer. Und mein Notnagel für 75 Euro war dann auch noch belegt. Da habe ich beschlossen, 25 km sind genug für den Tag und die restlichen 15 km per Autostop zu machen.

Hier musste ich gar nicht mal so lange warten, bis mich ein Bauleiter mitgenommen hat – bis Bar-le-Duc zum Campingplatz.

Ein winziger Campingplatz, direkt hinter dem Schloss mit vielleicht 5 belegten Plätzen. Ich hatte also die große Auswahl. Mein Reserveakku war inzwischen komplett leer und mein Handyakku bei 30%. Da hab ich es gerne angekommen, dass der Kauz vom Campingplatz mir angeboten hat, das Handy in seiner Hütte anzuschließen.

Als ich dann mein Zelt aufgebaut und mich geduscht hatte, war der Typ verschwunden. Er konnte nicht weit sein, sein Auto war noch da. Aber nach einer Stunde Warten habe ich dann aufgegeben, um mal in die Stadt zu gehen und was Richtiges zu essen. Und wie ihr seht, hab ich auch mein Handy inzwischen wieder.

22.05.

Diesmal war die Übernachtung im Zelt gar nicht mal so schlecht. Es war zwar immer noch etwas nass innen und ich musste Schlagsack, Zelt und Luftmatratze hinterher trocknen, aber überhaupt nicht kalt. Morgens war ich dann relativ allein auf dem Platz. Und allein am See!

Die Picknickplätze am Lac de Madine

Es war ein bisschen wie am Leeheimer Badesee, nur viel größer. Und nach einem spartanischen Frühstück mit fantastischem Blick bin ich schwimmen gegangen.

Das Wasser war wärmer als die 12 Grad Außentemperatur, aber in der Sonne fühlte sich die Luft schon wärmer an. Und so bin ich ein paar Runden geschwommen.

Mein Badeplatz: viele Algen, ein paar Fische und klares Wasser

Ein toller Start in den Tag. Ich hab mir etwas mehr Zeit gelassen und bin erst um 12 Uhr los. Aber der lange Tag gestern steckt mir noch in den Knochen und ich muss ständig stoppen um zu trinken und mir Wasser zu schnorren. Unterwegs begegnet mir ein Fuchs, er kreuzt 10 m vor mir den Weg und reagiert erst, als ich sage: „Ein Fuchs, was machst du denn hier.“ Da sieht er mich eine Sekunde lang an und rennt dann panisch weg. Vermutlich etwas schwerhörig.

In Woinville stoße ich dann auf diese außergewöhnliche Kastanie.

Erst bei meinem Weg durch den Wald und über den Berg ins Tal der Meuse wird es schattig und angenehmer, und ich kann das Wandern im Wald genießen. Nur in der Hitze bilden sich auf der Straße kleine Teerbläschen. Wenn ich darauf trete, ploppt es wie bei Knallerbsen. Wie meine Schuhe wohl von unten aussehen?

Per Telefon und über das Tourismusbüro lande ich schließlich nach 22 km bei einer Künstlerin und ihrer Villa in Saint-Mihiel. Ein toller Platz, außen geschichtsträchtig und mondän, innen sehr viel improvisiert und lässig. Hier steht alles offen, ich kann mich im ganzen Haus frei bewegen und verlaufe mich entsprechend oft. Im Arbeitszimmer von Hélène ist das WLAN am besten, und so sitze ich jetzt hier zwischen ihren Papieren, mit Blick auf ihren Teich und die Meuse und schreibe an meinem Blog. Sie erinnert mich an eine jüngere Angela Winkler, sehr expressiv. Und Geschichte hat hier auch stattgefunden, vom Balkon des Hauses hat schon General de Gaulle gesprochen.

Die Villa von der Parkseite aus

Wahrscheinlich deshalb, weil in Saint-Mihiel im 1. Weltkrieg eine wichtige Schlacht für die Allierten gewonnen wurde.

Der Krieg ist hier im Alltag noch sehr viel präsenter als bei uns, Denkmäler, Soldatenfriedhöfe.

Und ich bin heute von dieser Villa aus durch den dazugehörigen Park und dann am Fluss Meuse entlang gegangen, über die Brücke und dann 50 m zum Lidl und zurück. Ich bin noch viel gelaufen, zweimal durch das Städtchen und wieder zurück, wie in Deutschland haben montags fast alle Restaurants geschlossen.

In St. Mihiel gibt es eine Benediktinerabtei mit der barocken Kirche St. Michael
Und dieses Schmuckstück habe ich auf dem Weg zu meinem Quartier gefunden.