26.05.

Schlafen ging ganz gut, trotz merkwürdiger und unbekannter Naturgeräusche und geheimnisvoller Schreie um mich herum. Aber ich bin zerstochen aufgewacht (hoffentlich keine Flöhe), und Schnecken innen im Zelt braucht auch kein Mensch. Ich hatte dann Mühe, meine Sachen wieder trocken zu kriegen, aber das ist jedesmal nach dem Zelten so.

Ich war dann früh auf dem Weg und habe den Wald, oder besser die Sümpfe von Maurupt durchquert.

Mein Weg durch die Sümpfe von Maurupt

Und dabei ich hatte jetzt einige Tage Sonne; bei Regen hätte ich gar nicht erst den Versuch unternommen, da durchzukommen. Dann habe ich endlich einen PKW vor mir auf dem Weg gesehen. Ich dachte noch, dass es jetzt wohl besser wird.

Aber der Wagen war verlassen und im Schlamm stecken geblieben.

Danach habe ich mich gegen den Wanderweg und die direkte Straße zu meinem Abendquartier entschieden. Ich wollte mich mal irgendwo bequem in ein Café setzen und was anderes als Käse und Brot essen. Aber nichts, nirgendwo ein Café, eine Bar, eine Boulangerie. Nur ein Tante-Emma-Laden auf vier Rädern, der zufällig vor mir hielt. Da hab ich mir wenigstens frisches Obst gegönnt.

Fachwerk in der Champagne

Aber dann doch noch ein Restaurant. Erst hat man mir nur zu trinken angeboten, dann gab es doch noch was zu essen. Ich hatte gedacht, wegen meines Äußeren wollte man mich schnell wieder los sein. Aber die Küche war eigentlich nicht geöffnet und mit Vorbereitungen für eine große Feier am nächsten Tag beschäftigt. Aber dann bot die Chefin mir doch noch was an: Fischpastete mit grünem Spargel – naja, wenn es sonst nichts gibt.

Pink als Farbe der Tischdecke macht den Eindruck etwas zunichte.

Das Restaurant liegt genau an der Route National, die hier vierspurig ist. Da musste ich rüber, und auf meiner Karte sah es nach Unterführung aus. War aber keine. Und so kam zu meiner heutigen Etappe noch ein riesiger Umweg zum nächsten Autobahnanschluss hinzu: macht 34 km. Es sieht vielleicht so aus, als würde ich auf Paris zu rasen, aber ich mache eben riesige Umwege.

Mein Weg von Cheminon nach Lexémont-et-Villotte

Das Schöne an diesem Umweg, ich bin noch mal viele Kilometer am Champagne-Bourgogne-Kanal entlang gelaufen. Leider auf der sonnigen Seite, die schattige Seite war wieder total zugewachsen.

Wenig los auf dem Kanal – aber schöne Hausboote

Und jetzt hab ich das Problem, Handy leer, Akku leer, und keine Steckdose in meiner Nähe, wo ich die Sachen beaufsichtigen könnte. Muss ich improvisieren und die Powerbank unbeaufsichtigt an der Steckdose lassen.

25.05.

Es ist oft schwierig abends den Blog zu schreiben, wenn die Handyleistung schon am Ende ist. Ich kann zwar immer mal wieder den Akku laden, aber heute hat er gereicht und er muss noch bis morgen reichen.

Aber von Anfang an: Heute der Start in Bar-le-Duc war sehr komfortabel in der Ferienwohnung. Ich hab mir mein Frühstück zwar selbst gemacht, aber die Wohnung war gut ausgestattet und die Bäckerei hatte offen – trotz Feiertag. Zwei Schokoladencroissants zum Frühstück, ein Schweinsohr für unterwegs, kann man nicht meckern.

Der Ort war am Feiertag morgens ziemlich ausgestorben.

Hinter dem Ort ging es noch einmal ordentlich in die Berge, aber das war’s dann wohl mit den Steigungen: zuerst Lothringen, heute noch die Ardennen und ab morgen dann wohl die Champagne. Zwei englische RadfahrerInnen, die ich auf dem Weg von London nach München gestern auf dem Campingplatz getroffen habe, waren ganz begeistert und meinten, ich müsste unbedingt Champagner trinken. Steht aber erst mal nicht auf meinem Speiseplan.

Au revoir Bar-le-Duc

Nach dem Anstieg sah das Land schon ziemlich flach und milde hügelig aus und blieb es auch. Und ich fand endlich den Wanderweg GR 14, der mich von jetzt bis Paris begleiten soll. Aber da hab ich mich zu früh gefreut – die Franzosen behandeln ihre Wanderwege noch liebloser als die Deutschen.

Das Zeichen hätte ich gern öfter gesehen.
Eine Idylle auf meinem Weg – bis sie im Sattel ihr Handy rausgeholt und gedaddelt hat.

Eine Station unterwegs war das Kloster Trois Fontaines l’Abbey. Aber trotz des schönen Namens (drei Quellen) gab es nirgendwo Wasser.

Die Klosteransicht von der Straße aus

Aber eine bemerkenswerte Ruine und einen riesigen öffentlichen Park gab es stattdessen.

Ich hab ja heute auf Risiko gespielt und erwartet, in Cheminon irgendwo eine Unterkunft zu finden. Aber obwohl ich 5 Leute auf der Straße gefragt habe – Wasser ja, aber kein Zimmer für mich. Die älteste der Leute hat bestimmt 3 mal gesagt: Sie sind sehr mutig (courageux). Und es hörte sich immer ein bisschen so an wie, Sie sind ganz schön frech.

Immobilien zu verkaufen. Bei Interesse sag ich euch den Ort. War aber auch kein Zimmer frei.

Schließlich bin ich mit meinem Zelt auf einer Wiese gelandet. Zum Glück ist mir der Sohn des Besitzers über die Füße gelaufen und ich konnte mir eine Erlaubnis einholen. Was gut war, denn später gab es kritische Blicke und Fragen – von einem Typen, dem ich auch nicht im Dunkeln begegnen möchte.

Heute waren es 33 km und ich gehe ohne Dusche ins Zelt. Und habe immerhin für morgen schon sicher den Campingplatz gebucht.

24.05.


Ich brauche mal wieder einen Tag Pause. Blase am Fuß, erschöpft und etwas frustriert wegen der fehlenden Übernachtungsplätze, lasse ich es mir gut gehen. Außerdem ist Bar-le-Duc wirklich einen Tag wert. Fast das gesamte Stadtbild ist original Renaissance.

Sogar die Gardinen müssen teilweise aus dem 16. Jahrhundert sein.

Das Tourismusbüro übertreibt dann auch etwas und behauptet, bei Ihnen hätte die Renaissance schon hundert Jahre früher angefangen. Der älteste Teil ist das Schloss in der Oberstadt, um das herum die Herzöge von Anjou ihre Günstlinge angesiedelt haben.

Die ganze Oberstadt steht unter Denkmalschutz.

Vom Schloss ließen sich oben keine guten Fotos machen, es wird teilweise renoviert.

Hier der Uhrenturm vom letzten Foto aus der Nähe
Die Kirche Saint-Étienne

Dadurch dass die Stadt vom ersten Weltkrieg verschont geblieben ist, trotz der Schlacht an der Marne ganz in der Nähe, ist hier vieles erhalten geblieben.

Die Kathedrale

Direkt am Campingplatz liegt das Château de Marbeaumont, das ich für Barock gehalten hätte. Aber es stammt aus der Belle Époque, von einem offensichtlich romantisch veranlagtem Banker. Jetzt ist darin eine Spielarchiv (!) untergebracht, und im Garten wurde Frisbee und Volleyball gespielt.

Château de Marbeaumont

Nach meiner touristischen Tour war ich dann einkaufen, denn ich bin heute vom Campingplatz in eine bequeme Ferienwohnung umgezogen – 100 m weiter. Ich kann mir also selbst etwas zu essen machen.

Und ich nutze die Vorteile der Wohnung aus: Haare waschen, Wäsche waschen, unbegrenzt Strom, wegen Übernachten herumtelefonieren, nachmittags zur Bäckerei, Beine hochlegen – der pure Luxus. Und draußen ist das schönste Wetter. Schon komisch, hier in der Bude zu hocken. Aber morgen geht es ja weiter und das schöne Wetter soll wohl bleiben.

„Mehr denken als sagen“ steht auf dem Tor. Komisch, hier in diesen Mauern haben die Jesuiten die Aufklärung bis aufs Messer bekämpft.

Wenn ich richtig rechne, sind es noch 10 Tage bis Paris. Und ab morgen vielleicht wieder auf einem richtigen Wanderweg, dem GR 14.

23.05.

Das Frühstück heute: eine Kanne Tee und ein halbes Baguette mit Butter. Aber ich sag ja nix. Eigentlich sollte die Hütte 75 Euro kosten, und dann hat Hélène mir ein anderes Zimmer angeboten für 40 Euro. Und heute hat sie dann nur 30 Euro kassiert, weil ich mein Bett auch noch selbst bezogen habe. Hatte sie vergessen.

Frühstück im Salon

Dann hat sie mich noch ein paar Kilometer mit dem Hund begleitet und ich habe die andere Hälfte ihrer Lebensgeschichte erfahren, während sie in höllischem Tempo meist vor mir lief. Viel Power, aber keine Ausdauer: Raucherin.

Leider konnte ich so nicht mehr zur Bäckerei – und das sollte sich rächen. Es gab auf der ganzen Strecke keine mehr. Mein Mittagessen war daher etwas mager: 1 Apfel, 1 Stück Camembert und 1 getrocknete Wurst (Merguez). Und das nach dem eh schon mageren Frühstück.

Wandern an der Meuse, entweder auf dem kleinen Damm oder im Schatten der Bäume

Das erste Stück Weg an der Meuse entlang war fantastisch, im Schatten der Bäume und immer mit leichtem Wind. Kleine Jachten und Hausboote unterwegs und jede Menge großer Reiher und Milane.

Der Fluss und ein Kanal liefen immer parallel.

Dann war an einer Schleuse allerdings Schluss mit den Wegen, und der Mann an der Schleuse bestätigte mir, dass der Weg völlig zugewachsen sei. Ich müsste auf die Straße ausweichen.

Ab hier ging es nicht mehr weiter am Fluss entlang.

Es gab da aber noch eine stillgelegte Bahnlinie, mit der ich die Straße und 2 km Umweg vermeiden konnte.

Die Bahnlinie sah am Anfang noch ganz gut begehbar aus.
Das änderte sich aber auf der Hälfte der Strecke. Könnt ihr die Schienen noch erkennen? Da hätte ich gut ein Buschmesser gebrauchen können.

Alles halb so schlimm. Das kenne ich ja schon. Im nächsten Ort war dann wieder alles geschlossen, weil ich dort exakt um 13 Uhr angekommen bin.

Immerhin hat die Ortsverwaltung um 13:30 geöffnet und ich habe die beiden Mitarbeiterinnen 1/2 Std. damit beschäftigt, eine Unterkunft für mich auf der Strecke zwischen Sampigny und Bar-le-Duc zu finden. Die restliche Strecke bis dahin war mir für den Rest des Tages zu viel. Aber es gab nur eine einzige Unterkunft unterwegs – für 75 Euro. Bei meinem Besuch im Rathaus konnte ich nebenbei die Wahlergebnisse einsehen: eine stabile Mehrheit für Marie LePen. Wo bin ich da hingeraten?

Ich bin dann nur noch Straße gelaufen, was nicht wirklich Spaß macht.
Aber es gab auch schöne Plätze unterwegs, wie diesen Waschplatz.

Ich hatte gehofft unterwegs ein Zimmer zu finden, das nicht übers Internet beworben war. Aber dem war nicht so, alles winzige Dörfer. Und mein Notnagel für 75 Euro war dann auch noch belegt. Da habe ich beschlossen, 25 km sind genug für den Tag und die restlichen 15 km per Autostop zu machen.

Hier musste ich gar nicht mal so lange warten, bis mich ein Bauleiter mitgenommen hat – bis Bar-le-Duc zum Campingplatz.

Ein winziger Campingplatz, direkt hinter dem Schloss mit vielleicht 5 belegten Plätzen. Ich hatte also die große Auswahl. Mein Reserveakku war inzwischen komplett leer und mein Handyakku bei 30%. Da hab ich es gerne angekommen, dass der Kauz vom Campingplatz mir angeboten hat, das Handy in seiner Hütte anzuschließen.

Als ich dann mein Zelt aufgebaut und mich geduscht hatte, war der Typ verschwunden. Er konnte nicht weit sein, sein Auto war noch da. Aber nach einer Stunde Warten habe ich dann aufgegeben, um mal in die Stadt zu gehen und was Richtiges zu essen. Und wie ihr seht, hab ich auch mein Handy inzwischen wieder.

22.05.

Diesmal war die Übernachtung im Zelt gar nicht mal so schlecht. Es war zwar immer noch etwas nass innen und ich musste Schlagsack, Zelt und Luftmatratze hinterher trocknen, aber überhaupt nicht kalt. Morgens war ich dann relativ allein auf dem Platz. Und allein am See!

Die Picknickplätze am Lac de Madine

Es war ein bisschen wie am Leeheimer Badesee, nur viel größer. Und nach einem spartanischen Frühstück mit fantastischem Blick bin ich schwimmen gegangen.

Das Wasser war wärmer als die 12 Grad Außentemperatur, aber in der Sonne fühlte sich die Luft schon wärmer an. Und so bin ich ein paar Runden geschwommen.

Mein Badeplatz: viele Algen, ein paar Fische und klares Wasser

Ein toller Start in den Tag. Ich hab mir etwas mehr Zeit gelassen und bin erst um 12 Uhr los. Aber der lange Tag gestern steckt mir noch in den Knochen und ich muss ständig stoppen um zu trinken und mir Wasser zu schnorren. Unterwegs begegnet mir ein Fuchs, er kreuzt 10 m vor mir den Weg und reagiert erst, als ich sage: „Ein Fuchs, was machst du denn hier.“ Da sieht er mich eine Sekunde lang an und rennt dann panisch weg. Vermutlich etwas schwerhörig.

In Woinville stoße ich dann auf diese außergewöhnliche Kastanie.

Erst bei meinem Weg durch den Wald und über den Berg ins Tal der Meuse wird es schattig und angenehmer, und ich kann das Wandern im Wald genießen. Nur in der Hitze bilden sich auf der Straße kleine Teerbläschen. Wenn ich darauf trete, ploppt es wie bei Knallerbsen. Wie meine Schuhe wohl von unten aussehen?

Per Telefon und über das Tourismusbüro lande ich schließlich nach 22 km bei einer Künstlerin und ihrer Villa in Saint-Mihiel. Ein toller Platz, außen geschichtsträchtig und mondän, innen sehr viel improvisiert und lässig. Hier steht alles offen, ich kann mich im ganzen Haus frei bewegen und verlaufe mich entsprechend oft. Im Arbeitszimmer von Hélène ist das WLAN am besten, und so sitze ich jetzt hier zwischen ihren Papieren, mit Blick auf ihren Teich und die Meuse und schreibe an meinem Blog. Sie erinnert mich an eine jüngere Angela Winkler, sehr expressiv. Und Geschichte hat hier auch stattgefunden, vom Balkon des Hauses hat schon General de Gaulle gesprochen.

Die Villa von der Parkseite aus

Wahrscheinlich deshalb, weil in Saint-Mihiel im 1. Weltkrieg eine wichtige Schlacht für die Allierten gewonnen wurde.

Der Krieg ist hier im Alltag noch sehr viel präsenter als bei uns, Denkmäler, Soldatenfriedhöfe.

Und ich bin heute von dieser Villa aus durch den dazugehörigen Park und dann am Fluss Meuse entlang gegangen, über die Brücke und dann 50 m zum Lidl und zurück. Ich bin noch viel gelaufen, zweimal durch das Städtchen und wieder zurück, wie in Deutschland haben montags fast alle Restaurants geschlossen.

In St. Mihiel gibt es eine Benediktinerabtei mit der barocken Kirche St. Michael
Und dieses Schmuckstück habe ich auf dem Weg zu meinem Quartier gefunden.

21.05.

Mein Landhaus in Novéant-sur-Moselle

Zum Frühstück gab es diesmal Crêpes und ansonsten war es französisch spartanisch. Es gab Mirabellenmarmelade, nachdem ich gestern Mirabellenschnaps hatte. Hier ist das Hauptanbaugebiet. Ich hatte Gesellschaft, drei Leute, drei Generationen, und musste auf Französisch Konversation machen. Die haben mich ganz schön gefordert. Aber es ging.

Dann gab es wieder das übliche Problem mit den nicht markierten Wegen und Jürgen auf Irrwegen durch die Provinz. Diesmal war ich verloren im Wald von Villecey-sur-Mad. Nur Wege, die auf meinem Handy gar nicht existierten. Und so bin ich eine Stunde lang einem Weg gefolgt, der mich ins Tal führte und von dem ich nicht wusste, endet der vielleicht irgendwann in einem Steinbruch oder im Nirgendwo. Ich bin aber wieder rausgekommen aus dem Wald, hat mich nur viel Zeit gekostet.

Und ich muss andauernd Dorfansichten fotografieren, um mich zu vergewissern, dass ich wirklich in Frankreich bin.
Und Kirchen, jedes Dorf hat eine und ein Waschhaus.

Heiß war es heute und trotzdem toll in der Sonne zu laufen. Endlich! Mittags hab ich endlich eine Bar gefunden und erst eine Dose Cola und dann noch eine Dose Orangina runtergestürzt.

Oben an der Kirche gab’s eine Bar.

Viel schöne Wanderwege heute, aber nachmittags eine Stunde Landstraße und abends eine Stunde am See entlang. Es wurde heute nämlich spät und ich kam erst gegen 1/2 8 an.

Lac de Madine

Ich hatte mich per Telefon auf dem Campingplatz Nonsard angekündigt, aber der existiert nicht mehr – er ist jetzt ein paar km weiter den See entlang. Für Autofahrer und Radfahrer kein Problem …

Ich hab dann auch noch ein Bier und was zu essen bekommen, wenn man ein halbes Baguette gefüllt mit Frikadelle, Salat und Pommes dann essen kann. Da ist Kebap Luxus dagegen.
Und dann Zelt aufbauen, duschen, schlafen – nach 40 km!

20.05.

Ein Abschiedsbild von Metz und der Mosel

Es ist gar nicht so einfach, den Weg aus der Stadt herauszufinden, denn es gibt jetzt mehrere Wege GR 5 mit immer der gleichen rot-weißen Markierung. Und natürlich geht das schief, ich nehme den falschen Abzweig und mache einen Umweg von mindestens einer Stunde. Ich laufe ja sowieso den ganzen Tag, aber über Umwege ärgere ich mich schon etwas.

Aber so sehe ich ganz viel von den Vororten von Metz, den alten Dörfern und den Nobelvierteln. Und werde mal wieder nach dem Weg gefragt.

Das ist Lessy.
(Re)Konstruktion eines römischen Viadukts

Eigentlich war für heute als Ziel Gorze geplant, aber selbst das zu teure Gästehaus hat nichts frei. Aber sie kümmern sich um Alternativen und ich laufe in der schönen Gewissheit, dass ich irgendwann eine SMS mit der Lösung meines Übernachtungsproblems bekomme.

Die Bergrücken links und rechts der Mosel

Leider ist ganz Gorze tatsächlich ausgebucht, aber die netten Gastgeber packen mich in ihr Auto und bringen mich nach 27 km Wanderung in den nächsten Ort Novéant-sur-Moselle, der nur wenig abseits meiner Strecke liegt.

Ich wohne absolut luxuriös, mit Abstrichen was das Bett angeht.

Und so muss ich mich doch noch nicht von der Mosel verabschieden und beschließe den Tag mit der Abendstimmung hier.

Und für die gesamte nächste Woche ist Sonnenschein versprochen. Das würde mir auch den Rest der Reise versüßen.

19.05.

Heute hat es den ganzen Tag geregnet – und das richtig. Super für die Landwirtschaft, für mich eher naja. Dabei hab ich den Eindruck, hier wächst alles schon wie verrückt: Gestern hab ich Löwenzahn gesehen, dessen Blüten (oder eher Samenstände) gingen mir bis zur Hüfte und die Blätter waren so lang wie mein Unterarm mit ausgestreckter Hand. Hab leider vergessen ein Foto zu machen.

Jetzt wird der Jakobsweg ganz zünftig ausgeschildert.

So laufe ich durch den Regen – mit meinem Cape vor mir wie die Schürze vom Sterntalermädchen. Und leere ab und zu das angesammelte Wasser aus. Aber es gibt ja klein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Leider passten der Neoprenanzug und die Gummistiefel nicht mehr in den Rucksack.

Das war das Ergebnis.

Heute hätte ich mich über ein wenig Asphalt gefreut, aber es ging vor allem durch Feld, Wald, Wiese, Matsch. Aber was soll ich machen? Also singe ich „I’m singing in the rain“ und anderes. Jedenfalls ohne schlechte Laune.

Kapelle aus dem 11. Jahrhundert

Und meine Pilger sind weit und breit nicht zu sehen. Warum machen die das? Warum mache ich das? Ein Lebensabschnitt ist mit der Rente zu Ende gegangen und dann hat das wohl was mit Selbstvergewisserung zu tun. Wer bin ich, was macht mich aus. Auch in solchen Situationen wie heute, in denen ich es hinnehme ein kleiner Teil der Natur zu sein. Und ehe ich nicht die alten Träume realisiert habe, ist kein Platz für neue.

Oh wie „schön“, endlich ist Metz in Sicht.

Bis Metz sind schließlich auch die Schuhe innen nass. Aber sonst ist alles trocken unter dem Cape.

Endlich zeigt sich die Mosel auch mal von ihrer schönen Seite.
Das Ufer der Mosel in der Stadt

Ich bin mittags in Metz, ein netter Hausmeister lässt mich Rucksack und Cape abladen, obwohl die Jugendherberge erst um 17 Uhr aufmacht. Draußen ein Schild „komplett belegt“. Hoffentlich hat diesmal meine online-Reservierung geklappt.

Ich nutze die Zeit für einen Ausflug zum Centre Pompidou – mit dem Bus! Das Museum ist sehr beeindruckend, aber die Hauptattraktion, eine Ausstellung mit Bildern von Fernand Leger, eröffnet erst morgen.

Das Museum von außen
Und von innen

Passenderweise gibt es aktuell Ausstellungen zum Thema Natur:
Jardin infini.

Impressionen wie ich sie im Wald auch schon hatte
Ich sehe Bilder von Odile Redon, André Masson, Max Ernst und viele überraschende Objekte, wie diese Basaltsteine.
Außerdem fantastische Fotografien und Mehrfachbelichtungen von Peter Fischli und David Weiss

Natürlich besuche ich auch noch die Kathedrale und fotografiere sie bei Regen und später am Abend auch bei Sonne und beschließe den Abend mit leckerem Auflauf mit Ziegenkäse und einer halben Flasche Bordeaux.

Die Kathedrale von Metz, das Portal

Und die Reservierung hat geklappt und ich komme billig und recht primitiv hier unter. Ich dusche kalt, weil es ewig dauert, bis warmes Wasser kommt, und wasche meine Hose ohne Waschmittel unter fließendem Wasser aus, weil es keinen Stopfen gibt.

Morgen wird es wieder schwierig mit dem Schlafen, weil es in dem Naturpark, den ich quere, kaum Orte und erst recht keine Unterkünfte gibt.

18.05.

Meine beiden Pilger sind heute morgen eine halbe Stunde früher los, in der festen Überzeugung, dass ich sie einhole. Monique hilft mir noch bei der Suche nach der nächsten Unterkunft, ruft bei einem Logis in Vigy an und macht meine Reservierung klar. Alles ganz easy. Sie hofft für heute auf Regen und es sieht fast danach aus.

Viel Landwirtschaft, die den Regen gut vertragen könnte.

Der Weg ist hier gut markiert, trotzdem verliere ich den Weg irgendwann und finde dafür dieses restaurierte Waschhaus.

Später im Wald stoße ich dann auf Überreste der französischen Verteidigung gegen Deutschland vom 2. Weltkrieg.

Eine komplette Bunkeranlage.

Auch bei Monique bin ich noch auf Geschichte gestoßen: 5 Bände Geschichte der Gestapo auf Französisch, drei verschiedene Ausgaben von Mein Kampf auf Deutsch, und jede Menge anderer historischer Werke. Alles in den Regalen in meinem Zimmer.

Gegen Mittag nach einer Pause in einer Bar mit großem Milchkaffee (ich trinke doch sonst nur Latte Macchiato) hole ich dann tatsächlich noch meine Pilger ein: Birgit und Heinz von der Ahrquelle.

Chapelle de Rabas

Wir laufen dann den Rest des Weges zusammen und erzählen uns unsere halbe Lebens- und Familiengeschichte. Unser Tempo passt ganz gut zusammen, heute muss ich mich ja auch nicht unbedingt beeilen, und wir verstehen uns auf Anhieb ganz gut.

Birgit und Heinz, die schon länger auf dem Jakobsweg wandern und jetzt eine längere Etappe am Stück.

Auch heute hatte ich wieder viel Landstraße, aber das letzte Stück geht durch den Wald und durch große Strecken mit Bärlauch.

Hier blüht der Bärlauch bereits.
Es ist alles saftig grün, aber Regen haben wir so gut wie keinen.

Mein Quartier heute heißt Adeppa, sehr ähnlich unserer Jugendherberge, aber wohl eher ein privates Projekt. So ganz reicht mein Französisch nicht dafür. Aber ich habe Bett, Dusche, Abendessen und Frühstück. Alles tres bien.

27 km von Saint Marguerite bis Vigy, rechts der Mosel.

17.05.

Der Saar-Hunsrück-Steig wäre heute sicher die schönere Alternative gewesen, aber ich hab mich mit meiner App für den direkten Weg entschieden und das bedeutete mehr oder weniger den ganzen Tag Asphalt. Das spüre ich dann abends in den Knochen.

Ein kurzes Tauchbad für Kopf und Arme, denn es wird richtig heiß heute.

Aber so war ich mittags schon in Perl an der Mosel und der Grenze zu Luxemburg. Und erst da hatte ich in einer Pizzeria wieder WLAN und konnte die weitere Tour planen.

Ab hier geht’s nur noch nach Santiago de Compostela.

Wie üblich habe ich für die Mehrzahl der Orte auf meiner Strecke keine Unterkunft gefunden, aber in Saint Marguerite, einem winzigen Dorf bin ich dann fündig geworden. Zum Glück ist Monique, die Vermieterin am Telefon gleich ins Deutsche gewechselt – so blieben mir größere sprachliche Katastrophen erspart. Ob es mir etwas ausmacht, das Bad mit anderen Pilgern zu teilen? Natürlich nicht! Ich bin jetzt auf dem direkten Weg nach Santiago de Compostela.

Die Hauptstraße in Perl

Perl ist eigentlich nur ein Dorf, aber wegen der günstigen Preise kommen Franzosen, Luxemburger und Belgier hierher zum Einkaufen. Der Ort hat zwei Rewe, zwei dm, einen Lidl (wird hier ausgesprochen wie Diddle) und den größten Aldi, den ich je gesehen habe. Und im Rewe habe ich dann endlich mal einen anderen Langstreckenwanderer getroffen, der auf dem Weg nach Spanien war. Mal sehn, ob wir uns unterwegs noch mal sehen.

Dann endlich die ersten Schilder auf Französisch und ein flüchtiger Blick auf die Mosel, aber nirgendwo eine Grenze erkennbar, der Grenzübertritt völlig unspektakulär. Wenn ich da an früher denke …

Die Mosel war meist hinter Industrie und Eisenbahngleisen versteckt. Hier ein kurzer Durchblick.

Es ging noch einmal hoch auf die Moselhöhen und nach 34 km war dann endlich ein Ende in Sicht – und ich hatte mir wieder eine Blase gelaufen, die dritte.

Hier ändert sich allmählich der Charakter der Dörfer: Montenach.

Vorher hab ich noch bei einem Forsthaus Wasser getankt und erfahren, dass wir heute bis zu 30 Grad hatten.

Gîte de France

Die Unterkunft ist einfach, eine Gite de France, aber Monique hat uns zum Abendessen eine leckere Quiche Lorraine gemacht, mit verschiedenen Salaten und dazu gab es Bier und Wein aus Luxemburg.

Außer mir sind noch zwei Pilger hier, ein Paar aus der Eifel, die den Jakobsweg in Etappen laufen. Die nächsten zwei Tage haben wir den selben Weg und übernachten morgen in derselben Stadt (Vigy), aber vermutlich in verschiedenen Unterkünften.